Schwuppdiwupp, und der Schlagges ist fertig
SCHNEIDHAIN – Ohne Stroh-Maskottchen geht bei der „Schnaademer Kerb“ nichts – Vorbereitungen laufen
VON ESTHER FUCHS – Taunus Zeitung vom 16.06.2023
Unter dem weißen Hemd wölbt sich der dicke Bauch. Die Hosen sind zerschlissen. Die Stiefel schwarz. Der Kopf ist noch nicht ganz fertig. „Wartet, ich male ihm noch ein Gesicht. Dann sieht er freundlicher aus“, sagt Hannah greift zum Filzstift und malt, schwuppdiwupp, dem Schlagges noch Augen, Nase und Mund. Fertig ist der Strohknabe und bereit für den Umzug durch den Ort. Wenn diesmal Kerbewochenende ist, soll der Umzug besonders eindrucksvoll werden. Die Blaskapelle spielt. Mit Gesang, Baum und Schlagges ziehen die Kerbeborsch durch die Straßen. Jeder ist eingeladen, sich dem Lindwurm anzuschließen.
In der Rossertstraße, am Kerbeplatz sollen nach dem Umzug am Samstag Baum und Schlagges in luftige Höhe gezogen werden. „Er wacht dann über die Kerb und über uns Kerbeborsch, damit wir keinen Unfug machen“, erläutert Flo und grinst schelmisch. Im Garten seines Elternhauses kommen sie auch dieses Jahr wieder für die Vorbereitungen zusammen. Seit 2010 ist „Flo“, der eigentlich Florian Selg heißt, „Blockwart“ der Schneidhainer Kerbeborsch. Den Spitznamen erklärt er so: „Mein Elternhaus liegt hier im Wohnblock auf einer Anhöhe. Von hier aus sieht man alles und bekommt alles mit. Ich weiß also schon alle Geschichten, bevor sie die anderen erfahren.“
Tatsächlich beeindruckt Flo’s Garten mit einem rundum Panoramablick. Ihm und seiner Familie liegt der Ort quasi zu Füßen. Auch die Freunde sind immer wieder aufs Neue beeindruckt. „Wir stecken mittendrin in den Vorbereitungen“, verraten sie und hämmern, sägen oder bearbeiten mit dem Lötkolben eine Bierzeltgarnitur, so dass dort der Schriftzug 2023 sichtbar wird. Die jungen Leute unterschreiben noch, fertig ist einer der Tombolapreise, die teils hochwertig sind. „Auto Marnet spendiert ein Wochenende mit dem Campingbus“, verraten die Kerbeborsch. Auch Freikarten für Freizeitparks, wie den Heide Park in Norddeutschland oder die Schwarzlicht-Minigolfanlage in Frankfurt, sind unter den Gewinnen.
Mutter zeigt eine alte Anzeige herum
Im Schneidhainer Garten basteln sie auch an der Kerbefahne, deren Optik hier noch nicht verraten werden soll. Anna, seit 2007 aktives Kerbemädchen, nippt am Gerippten und erinnert sich beim Blick auf die Fahne an die Vergangenheit. „Jedes Jahr gibt es eine neue. Das Kirchweihfest hat in Schneidhain eine lange Tradition. Mein Vater war auch schon Kerbeborsch. Gefeiert wird das Fest ja eigentlich, um an die Weihe der Kirche zu erinnern.“ Annas Eltern helfen noch heute mit. Der Vater presst die Äpfel für den Apfelwein der Kerbeborsch. Die lesen jedes Jahr im Herbst auf den Schneidhainer Obstwiesen Äpfel. Auch dieses Jahr schmeckt der Apfelwein wieder fruchtig-frisch. Bei „Flo“ im Garten darf schon mal eine Probe verkostet werden.
Während Anna noch in Erinnerungen versunken ist, kommt Florians Mutter Petra dazu. Sie hat im Internet recherchiert und zeigt eine alte Anzeige aus der Zeitung, die im Stadtarchiv liegt. „Hier wird schon 1903 für das Kirchweihfest in Schneidhain mit Tanzbelustigung geworben“, sagt Petra Selg und zeigt die Anzeige auf ihrem Smartphone. Sie erinnert sich, dass die Kerb ursprünglich mal um die Linde am Ortseingang gefeiert wurde. Mittlerweile liegt der Festplatz an der Rossertstraße. Gefeiert wird wie früher. „Alle sind eingeladen!“, betonen die Kerbeborsch und -mädscher, auch die TZ-Leser,
Viertägiger Rummel beginnt nächsten Freitag – Für den Umzug sollen die Menschen ihre Häuser mit gelb-weißen Bändern dekorieren
Schon in wenigen Tagen wird in Schneidhain wieder „Schnaademer Kerb“ gefeiert. Der Heimat- und Brauchtumsverein (HBV) organisiert das Fest. Auf der jüngsten Mitgliederversammlung wurde nicht nur der alte Vorstand in Amt und Würden bestätigt. Die Mitglieder einigten sich auch darauf, die Tradition des Schneidhainer Kirchweihfests wieder mehr in den Vordergrund zu rücken. Der Kerbeumzug durch den Stadtteil soll diesmal besonders schön und größer als in den Vorjahren werden. Ansonsten bleibt sich der Verein treu und hält am bewährten Programm fest. „Wir freuen uns schon alle auf unsere Kerb und hoffen natürlich auf viele Besucher“, sagt HBV-Chefin Christine Grafe-Vidakovich, der in der Führungsriege Vize Oliver Ernst, Schriftführerin Lisa Dorn und Kassierer Jens Werner zur Seite stehen. Der Zeitplan der Kerb sieht wie folgt aus:
■ Die Kerb beginnt am Freitagabend, 23. Juni, um 18.30 Uhr mit dem Gottesdienst im Festzelt. Das steht wie gewohnt wieder an der Heinrich-Dorn-Halle.
■ Nach dem Gottesdienst öffnet der Rummelplatz. Ab 21 Uhr steht HBV-Vize Oliver Ernst persönlich als Discjockey am Mischpult. „Tanzen ist ausdrücklich erwünscht“, unterstreicht DJ Oli.
■ Am Samstag, 24. Juni, wird dann ab 15 Uhr der Kerbeumzug durch die geschmückten Straßen führen. „Wir würden uns sehr freuen, wenn die Anwohner ihre Häuser mit gelb-weißen Bändern dekorieren. Denn auch das gehört zur Tradition“, ermuntert Lisa Dorn alle Anwohner mitzumachen.
■ Samstagabend spielt die Band BONGAZ zum Kerbetanz auf. Danach soll ausgiebig gefeiert bevor die Kerbeborsch in der Früh wieder ausrücken.
■ Ihr Weckruf beginnt am Sonntag, 25. Juni, um 10 Uhr. „Mit Gesang, Pauken und Trompeten ziehen sie durch Schneidhains Straßen, damit sich möglichst viele ihnen anschließen und zum Frühschoppen aufmachen“, kündigt der Vorstand an. Ab 11.30 Uhr spielt im Kerbezelt schon die Egerländer Blaskapelle.
■ Am Sonntag ab 14 Uhr treten die Tanzgarden des HBV auf. Für Kaffee und Kuchen ist gesorgt.
■ Eebenfalls am Sonntag (ab 18 Uhr) findet die große Tombola statt. Schon Schluss? Nein.
■ Am Montag, 26. Juni, gehen die Schnaademer in den Kerbe-Endspurt. Ab 17 Uhr ist After-Work-Kerb. „Ab 19 Uhr wird der Schlagges beerdigt und der Kerbebaum versteigert“, skizziert die Vereinsvorsitzende Grafe-Vidakovich.
Wer mag, kann sich an den vier Festtagen auch über die HBV-Spendenaktion „Schnaademer Sterne“ informieren. Es dauert zwar noch ein Weilchen bis Weihnachten ist, aber 13 Laternenleuchtsterne, die im Advent die Straßen illuminieren, konnten bereits dank der Spenden über die Stadt Königstein bestellt werden. „Es darf gerne noch mehr Beleuchtung geben“, findet Grafe-Vidakovichs Stellvertreter Oliver Ernst. Die Beleuchtung soll in den kommenden Jahren an der Wiesbadener Straße hängen um weitere Standorte in dem Königsteiner Stadtteil erweitert werden. efx