SCHNEIDHAIN – HBV zeigt bei Heimatkino-Premiere Filme von Hubert Müller aus dem Jahr 1973
Mittwoch, 22. November 2023, Taunus Zeitung / Lokales / efx
Das Popcorn riecht süßlich nach Karamell. Die Maiskörner platzen stilecht in der roten Maschine, so wie früher in den Kindertagen, als man gespannt vor der Leinwand den gepufften Mais knabberte oder sich nach der Werbepause das Eiskonfekt schmecken ließ. Es waren die goldenen Kinojahre mit vollen Sälen und ohne Couch-Streaming.
Am Sonntagnachmittag schien diese große Zeit der Cineastic noch einmal aufzuleben – allerdings nicht in einem Multiplex-Kino mit Dolby-Surround-Sound, sondern in der voll besetzten Schneidhainer Heinrich-Dorn-Halle. Dorthin hatte der Heimat- und Brauchtumsverein (HBV) bei freiem Einritt eingeladen, um beim Heimatkino die Filmspule in das Jahr 1973 zurückzudrehen. Gezeigt wurden Filme, die der leider viel zu früh verstorbene Schneidhainer Hubert Müller gedreht hatte.
Der Schneidhainer hatte seine Kamera zu Lebzeiten immer dann draufgehalten, wenn etwas los war in Schnaadem – von der Kerb bis zum Fußballturnier.
Mittlerweile sind die Filme digitalisiert und nicht nur für Ur-Schneidhainer sehenswert, was der Blick in die Heinrich-Dorn-Halle unterstreicht. Junge sitzen neben älteren Stadtteil-Bewohnern, „Eingeplackte“ neben Alteingesessenen.
„Wir sind überwältigt“, betont Oliver Ernst angesichts der großen Resonanz. Man habe 200 Stühle gestellt, so der HBV-Vize, und alle werden gebraucht. Auch am Rand suchen sich Gäste noch freie Plätze. Es ist eine Hommage an die alte Zeit und an Hubert Müller.
„Für ihn war die Filmerei kein Hobby, sondern eine Leidenschaft“, sagt seine Frau Christel. Auch sie ist unter den Besuchern.
Jahrelang präsentierte Hubert Müller selbst seine Jahresrückblicke. Im Juni 1990 verstarb er viel zu früh. Mit nur 53 Jahren, berichtet die Witwe.
Durch seine Filme bleibt Hubert Müller jedoch lebendig. Ehefrau Christel übergab sie nach dem Tod an die Stadt. Zu besonderen Anlässen präsentierte sie danach Hermann-Josef Lenerz.
Am Sonntag ist es der HBV, der bei Popcorn, Eiskonfekt und Cola die Mitbürger empfängt, von Trends aus ’73 berichtet und Werbespots aus den Siebzigern zeigt. Danach startet der Film.
Oli Ernst hat recherchiert. Zum Warmwerden fragt er: „Wisst Ihr wer damals Bundeskanzler war?“ „Willy Brandt!“ ruft das Publikum. Auch den damaligen Fußballmeister kennen sie noch: „Bayer München, wer sonst?“ Schlagerstars waren Roy Black und Rex Gildo. Begehrte Mädchennamen: Nicole, Tanja, Daniela, Claudia. Jungs hießen Michael, Markus, Stefan oder Andreas.
„Beim Seniorennachmittag des Ortsbeirats im vergangenen Jahr haben wir bereits einen Jahresfilm vorgeführt und dazu positives Feedback erhalten“, erläutert HBV-Vorsitzende Christine Grafe Vidakovich die Motivation zur Veranstaltung.
Was war los in Schneidhain vor 50 Jahren? Die Aufführung des Märchenballs „Dornröschen“ und ein entgleister Triebwagen am Bahnhof bringen Erinnerungen zurück. Der Wanderzirkus in der Grundschule und der Auftritt des Kinderchors unter der Leitung von Peter Joseph Ernst sind auf der Leinwand zu sehen. Dazu die Vereinsmeisterschaft der Judoka, ein Fußballturnier, die Schnaademer Kerb, Hochzeiten, Stammtische, Trimm-Dich-Spiele, Rollschuhlaufen – wer damals ein kleiner Schneidhainer Steppke war, schmunzelt nun als Erwachsener über die Bilder. Nicht alle, die erkannt werden, sind heute noch da – das bringt das Leben mit sich. Doch die Erinnerung an sie bleibt, dank Hubert Müller und dank des HBV. Der möchte sich auch künftig für den Erhalt der Heimathistorie einsetzen.
Am Abend endet die Vorstellung mit tosendem Applaus. „Die Gäste waren restlos begeistert“, berichtet der Vorstand tagsdrauf. Der HBV-Testballon flog hoch und weit. Nächstes Jahr soll es deshalb wieder ein Heimatkino geben. Dann mit der Rückschau auf das Jahr 1974. efx